Das Wirtschaftsmagazin Forbes drückte es mit einem vielsagenden Bild aus:
Die Ikone unter Amerikas Börsen möchte den Graben zwischen der Natur und dem Betondschungel der Wall Street überbrücken.“
Im Klartext: Bisher war die Natur nur schwer zugänglich für die Raubzüge der Wall Street. Das will die Börse ändern.
Dafür hat die New York Stock Exchange (NYSE) im September zusammen mit der Intrinisic Exchange Group (IEG) – zu deren Investoren die Rockefeller Foundation gehört – die neue Anlageklasse der Natural Asset Company (NAC) geschaffen, zu Deutsch: Natürliche-Ressourcen-Unternehmen. Natürlich wird die Absicht dahinter nicht als Raubzug beschrieben, sondern als ein Gotteswerk. NYSE-Chef Michael Blaugrund sagte Fortune dazu:
Es gab bisher keine Mechanismen, um die Kapitalbildung zu fördern, die für die Erhaltung und Wiederherstellung von natürlichen Ressourcen notwendig ist, die letztlich die Grundlage für die Existenz von allem Leben auf der Erde bilden.“
Die NACs sollen es Regierungen, Landwirten und anderen Eigentümern von Naturgütern ermöglichen, ein spezialisiertes Unternehmen zu gründen. Bei diesem liegen dann die Rechte an Grundstücken, die sogenannte „Ökosystemleistungen“ erbringen. Gekauft werden die Grundstücke und Bodenschätze mit dem Investorengeld, dass über die Börse eingesammelt wird. Als Beispiele genannt werden Kohlenstoffeinlagerung oder sauberes Wasser.
Der Unterschied zu normalen Unternehmen besteht der Propaganda zufolge darin, dass die NACs das eingenommene Kapital nicht dazu verwenden, um ihre Bilanz aufzubessern, Fusionen und Übernahmen zu finanzieren oder Aktien zurückzukaufen, „sondern um einen Regenwald zu erhalten oder andere Naturschutzmaßnahmen zu ergreifen, wie z.B. die Umstellung der konventionellen landwirtschaftlichen Produktionsmethoden auf regenerative Methoden in einem Betrieb.“
Das ist eine schöne Verheißung. Wer könnte dagegen schon sein?
Allein, es bleibt die Frage: Was haben die Investoren davon? Wo kommt ihre Rendite her?
Die Initiatoren sagen dazu laut Forbes lediglich, dass die Anleger Im Gegenzug Zugang zu einer neuen Form nachhaltiger Investitionen bekommen – „einem Bereich, der in den letzten Jahren auch BlackRock-CEO Larry Fink begeistert hat, obwohl es noch viele unbeantwortete Fragen dazu gibt.“
In der Tat, Fragen. Wie die Frage, wo die Profite für die Rendite herkommen sollen. Zugang zu einer Möglichkeit, sein Geld ohne Rendite anzulegen, suchen die Investoren ja eher nicht.
Eine Antwort findet man indirekt auf der Webseite der Intrinsic Exchange Group. Sie taxiert den jährlichen Umsatz mit Gütern und Dienstleistungen der traditionellen Wirtschaft der Erde auf 90 Billionen Doller, den der Naturökonomie, die sie in die Marktwirtschaft integrieren will, auf 125 Billionen, also knapp 40 Prozent mehr.
Ganz anders das Verhältnis bei den Werten. Das traditionelle Kapital, also die Rechte auf die Erträge der traditionellen Ökonomie, wird auf gut 500 Billionen Dollar taxiert, das der Naturökonomie auf 4000 Billionen, also fast das Achtfache. Das ist natürlich ein hypothetischer Wert, der nur ausdrücken soll, was diese Ressourcen für die Menschheit Wert sind. Wenn die Schätzung stimmt, bedeutet es, dass man durch das Belegen der bisher kostenlosen Nutzung natürlicher Ressourcen mit einem Knappheitspreis enorm viel Geld machen kann.
Wasser, das die Kommunen bisher kostenlos entnommen haben, gehört dann den Konzernen, und es heißt bezahlen. Das Land um eine Stadt herum, das die Ressource „frische Luft“ bereitstellt, gehört den Konzernen. Und die lassen sich dafür bezahlen, dass die Luft rein bleibt.
Typischerweise dürfte das in Form der berüchtigten öffentlich-privaten-Partnerschaft geschehen. Eine arme Regierung oder Kommune bekommt viel Geld von den NACs, ohne höhere Steuern erheben zu müssen. Dafür werden später die Bürger von den privaten Gesellschaften mit Nutzungsgebühren belegt. Oder eine der internationalen Organisationen, mit denen das Weltwirtschaftsforum und die größten Konzerne seit langem sehr einträchtig in öffentlich-privaten Partnerschaften zusammenarbeiten, nötigen abhängige Regierungen mitzumachen.
Die ersten Projekte werden vermutlich sogar deutlich positive Wirkungen haben, denn es werden Schaufensterprojekte sein, die zeigen sollen, was für eine tolle Sache die NAC sind. So kann man den Ausverkauf der Natur an die Privaten so lange gegen Kritik abschirmen, bis er nicht mehr zu stoppen ist. Die Intrinsic Exchange Group gibt an, sie plane noch dieses Jahr die Gründung einer NAC gemeinsam mit einer internationalen Organisation und sei außerdem zusammen mit der Interamerikanischen Entwicklungsbank – die bei der IEG beteiligt ist – in Gesprächen mit Costa Rica, gemeinsam ein solches NAC zu bilden.
Dass die Investoren nicht für einen Gotteslohn investieren sollen, macht die IEG auf ihrer Webseite deutlich. Dort heißt es nach vielen schönen Worten und Bildern:
Mit Hilfe der Börsenplattform wandelt IEG den Wert von Naturgütern in Finanzkapital um, um den Eigentümern eine Möglichkeit zu bieten, finanziell vom Wert ihrer Naturgüter zu profitieren.“
Wie genau das Profitieren geschieht, bleibt diffus, wohl weil eine konkrete Beschreibung, wer auf welche Weise für die Rendite der Investoren in „Naturanlagen“ bezahlen soll, das weltverbessernde Klangbild der Beschreibung empfindlich stören würde. Aber ein Schlüsselabsatz dürfte dieser sein:
NACs sind so konzipiert, dass sie den vollen Wert natürlicher Vermögenswerte erfassen, einschließlich (…) des Werts als Wertaufbewahrungsmittel: Eine Natur-Aktie ist ein Wertaufbewahrungsmittel wie jedes andere Wertpapier oder jeder monetäre Vermögenswert. Die Bestände an Wasser, Holz, biologischer Vielfalt, Boden, Kohlenstoff, Fischen oder anderen natürlichen Ressourcen ermöglichen das Leben auf der Erde und sind daher der ultimative Wertaufbewahrungsort für Investoren.“
Darunter kann man sich etwas vorstellen. Die Ressourcen auf der Welt werden knapp, die Rechte diese Ressourcen klimabelastend zu nutzen noch mehr. Indem die globale Finanzelite die eigenen Multi-Milliarden mit den Billionen anlagesuchendem Kapital kombiniert, dass sie über die Kapitalanlagegesellschaften kontrolliert, kann sie diese Ressourcen in riesigem Umfang aufkaufen.
Erst einmal sind keine großen Einnahmen zur Generierung von Rendite nötig. Das geschieht über Wertsteigerungen. Der Finanzmarkt bewertet die Monopolmacht über natürliche Ressourcen, die diese NACs bekommen. Die Bewertungsgrundsätze mit viel Nachhaltigkeitsklimbim, die uns präsentiert werden, haben damit wenig zu tun. Sie dienen nur zum Schönaussehen.
Je knapper die Ressourcen werden, desto leichter wird es, sie mit einem (hohen) Preis als Zuteilungsinstrument zu versehen. Wenn es einmal so weit ist, dass das Kartenhaus unseres gegenwärtigen Finanzsystems zusammenbricht, und vielleicht auch das ökologische Kartenhaus unserer Wirtschaftsweise, dann hat die Finanzelite die Kontrolle über das, was dann noch wichtig und wertvoll ist – alle natürlichen Ressourcen.
Letztlich ist das die Fortsetzung der Rette-sich-wer-kann-Strategie der Superreichen, die dazu geführt hat, dass Bill Gates der größte Besitzer von Farmland in den USA geworden ist und auch andere Superreiche aus dem Silicon Valley – entgegen all ihrem Digitalisierungsgerede – ihre obszön großen Vermögen in Boden und natürliche Ressourcen stecken.
Danksagung: Den Hinweis auf diese Vorgänge verdanke ich Whitney Webb, die auf Unlimited Hangout darüber geschrieben hat.